Heilige Nacht

Der arbeitsreiche Tag neigt sich dem Ende,
und sternenklar der Abend sich entfacht.
Schon schmücken nimmermüde Mutterhände
den Weihnachtsbaum zur stillen, heiligen Nacht.

Vom Dom her erschallen Glockenklänge,
sie künden uns den Weihnachtsfrieden an,
und alte, fromme, heilige Chorgesänge
steigen aus Kinderkehlen himmelan.

Nun strahlt der Baum im hellen Licht der Kerzen,
und jubelnd schaut die kleine Kinderschar.
Still zieht der Friede ein in alle Herzen
am Weihnachtsabend Jahr für Jahr

Der Alte und sein Wald

An einem heißen Sommertag wanderte ich, abseits einer großen Industriestadt wohnend, hinaus in den mir durch viele Wanderungen liebgewordenen Wald, um dort die Stille und den Frieden zu genießen. Ein schönes Plätzchen, vom Laub der Bäume beschattet, lud mich zum Sitzen ein. Einige Augenblicke schaute ich in das dunkle Grün des Moosteppichs. Das Zwitschern der Vögel und das Raunen des Windes in den alten Eichen ließ mich träumen.  ich sah mich an der Hand des Vaters die Wälder meiner heimat, die mir in der Kindheit so vertraut waren, durchstreifen, sah hier das stolze Geweih eines Hirsches durch das Gebüsch schimmern, dort ein Reh friedlich äsen.In diesen Gedanken versunken störte mich der Gruß eines Spaziergängers. Etwas verstört blickte ich auf und dah in ein altes, von Runzeln durchzogenes Gesicht, das mir freundlich zulächelte. Es war ein alter, ergrauter Mann, der, so wie ich, die Kühle des Waldes suchte.

“Habe ich Sie gestört?”, sprach er mich an. “Oh, nein, im Gegenteil. Wenn Sie wollen, können Sie hier Platz nehmen.” “Danke, wir alten Leute suchen gerne ein ruhiges, schattiges Plätzchen”, sagte er, “ich habe mich etwas verspätet, und meine kleinen Freunde sind es nicht gewohnt, auf mich zu warten.” “Kleine Freunde? – Ach so, ich verstehe, Sie meinen damit die Vögel?” – “Ja, schauen Sie doch, wie unruhig sie sind, meine kleinen Lieblinge.” Während er sprach, verfolgten seine Augen das Hin- und Herflattern der Vögel. Als er dann der mitgebrachtne zigarrenkiste etwas Futter entnahm, flogen einige der zierllichen Gottesgeschöpfe auf ihn zu und pickten ohne Scheu das Futter aus seiner Hand. “Sehen Sie nur, wie flink sie sind, sie kennen ihren alten Freund, den Invaliden, der sie täglich hier am Platz füttert. ” “Invalide, sagen Sie?” “Ja, ich bin Berginvalide, schon viele Jahre. So wie ich lieben viele Bergleute die Natur. – Schauen Sie dorthin, dort oben auf dem Ast der alten Eiche sehen Sie ein Eichhörnchen. Gleich wird es hier sein, um sich auch seine tägliche Nahrung zu holen.” Und wirklich. Lustig sprang das kleine Tierchenvon Ast zu Ast, lugte durch das Laubwerk herunter, und plötzlich sprang es über den Weg auf uns zu. Der Alte entnahme seiner Tasche frische Eicheln, und im Nu haschte das kleine Eichhörnchen mit seinen Vorderpfoten nach den schmackhaften Früchten. Dann verschwand es auf den nächsten Baum. Dieses spaßige Spiel wiederholte sich so lange, bis die letzte Eichel aus der Tasche des Alten verschwunden war. Mit Staunen sah ich diesem lustigen Treiben zu. Zur Unterhaltung blieb mir keine Zeit. Erst, als der alte Berginvalide mich nach meinem Herkommen fragte, stand ich ihm unter dem Dankesgezwitscher Rede und Antwort. “Wie lange sind Sie schon auf dem Schacht beschäftigt?”, fragte mich der Alte. “Annähernd vier Monate. Ich will versuchen, bis Weihnachten durchzuhalten. Bis dahin denke ich, so viel gespart zu haben, um weiter studieren zu können.” “Und was studieren Sie, wenn ich fragen darf?” “Die medizinische Fakultät. Ich will Arzt werden.” “Sie wohnen hier in der Bergmannssiedlung?” “Ja, im Bergmannsheim. Ich habe dort ein schönes Zimmer für mich, wo ich nach meiner schweren Arbeit Zeit und Ruhe finde, um zu lernen.” Der Alte nickte mit dem Kopfe. “Es ist schön, wenn man seine Kinder etwas lernen lassen kann. Auch ich hatte einen Sohn. Ingenieur wollte er werden. Leider hat ihn der Krieg nicht mehr zurücklgegeben. er liegt irgendwo in Rußland begraben. Meine Älteste, die Annemarie, geht ihrer Mutter im Hause zur Hand. Das tägliche Leben bringt auch viele Sorgen und Nöte, mit denen man fertig werden muß, um auf dieser Erde bestehen zu können.” – Der Alte gefiel mir. Seine Worte klangen frei, frei, wie einst seine schlesische Heimat war. Seine Hände, die ich mir im Stillen besah, zeugten von Arbeit und Fleiß. “Sie waren wohjl lange Bergmann?”, fragte ich etwas neugierig. “Bald fünfzig Jahre bin ich eingefahren.” “Eine lange Zeit, die Sie dort unten in ewiger Nacht verbrachten.” “Ja, eine lange Zeit. Mühe und Arbeit, Kummer und Freude waren die ständigen Begleiter meiner vielen Arbeitsjahre, und stets zeigte sich mir die Heilige Barbara, die Schutzpatronin der Bergleute, gnädig, denn ich hatte keinen einzigen schweren Unfall.” “Und jetzt bringen Sie den Rest Ihres Lebens in Ruhe und Frieden zu?”, sagte ich gedehnt. “Ich liebe die Natur, die wälder mit ihrem Frieden. Täglich bin ich hier, und höre die Vögel singen und pfeifen. Das dringt in die Seele, daraus schöpfe ich Freude und Ruhe. Und als Lohn dafür gebe ich ihnen ihr tägliches Futter.” Die Glocken der Friedenskirche läuteten die Mittagsstunde ein. Ihre Klänge schallten über die Dächer der Großstadt, über die Siedlungshäuser der Begleute, hinüber über grünende Wiesen und Früchte tragende Felder und zitterten durch das grüne Laub der hohen Eichen.

“Es ist Mittagszeit, und die Glocken mahnen mich zum Aufbruch.” Mit diesen Worten erhob sich der alte Berginvalide, blickete noch einmal hinauf zu seinen Lieblingen und fragte mich lächelnd.”Gehen Sie mit?” “Ja, unser Weg ist derselbe.” Ich schloß mich dem Alten an. Langsam schritten wir über den Waldweg dem Ausgang des Waldes zu. Das Zwitschern der Vögel begleitete unseren Weg.

 

 

Großvaters Erzählungen

Einst abends im trauten Familienkreis

erzählt uns Großvater vom emsigen Fleiß,

vom Schaffen der Bergleut’, die Schicht für Schicht

ihre Arbeit erfüllen bei winzigem Licht.

“In der Erde”, so erzählt er, “ist ewige Nacht;

dort hält der Berggeist Jahrtausend die Wacht!

Ihn muß der Bergmann zuerst bezwingen,

will er die Schätze der Erde erringen!

Auch weiß er, daß unter den größten Gefahren,

wie immer, wenn sie am werken waren,

der Berggeist dem Kumpel trotz Tücke und List,

warnend und helfend von Nutzen ist.

So geht er mit Vorsicht ans Tagwerk heran;

er schaut aufs Gebirge – er klopft es auch an;

und weiß er, daß die Arbeit, in der er steht,

ohne Gefahren vonstatten geht,

dann hämmert und wühlt er sich in den Stoß,

bricht unermüdlich Meter um Meter los

und schaufelt die Kohle mit fleißiger Hand

vom Liegenden weg auf das Förderband,

Dann nimmt er das Eisen und nimmt sich das Holz,

baut aus seine Arbeit mit sichtbarem Stolz

und fährt nach beendeter mühvoller Schicht

zufrieden wieder ans Tageslicht.”…

Nachdem Großvater mit seinem Bericht

uns von des Bergmanns laufender Schicht

Kunde gegeben, hallten vom Schacht

Klänge der Arbeit durch die Nacht.

So saßen wir, und horchten und staunten,

wiegten die Köpfe zusammen und raunten:

“Was hat doch Großvater in all den Jahren,

seit er als Bergmann zurGrube gefahren,

nicht alles erlebt im Schoße der Erde,

wo er tagtäglich die kostbaren Werte

ein halbes Jahrhundert mit seinem Schweiß,

dem Berg entrissen in willigem Fleiß’!”…

“Ja, Kinder…es war schon ein mühvolles Leben,

seit ich dem Schacht meine Treu’ hab’ gegeben.

Seit unser Herrgott zum Knappen mich schuf,

war ich verwachsen mit meinem Beruf.”

Neue Heimat

Als der Krieg mir die heimat und alles nahm

und ich nach Jahren aus der kriegsgefangenschaft kam,

irrte ich einsam im Lande umher –

Arbeit, nur Arbeit war mein Begehr.

So wanderte ich durch Dörfer und Städte

ins Ruhrgebiet, wo Fabriken und Schächte

wie gute Nachbarn zusammenwohnen

und fand Arbeit und Heimat, die ich verloren.

Nun fühl ich mich wohl, wenn die Arbeit auch schwer,

doch missen möcht’ ich sie nimmermehr.

Sie gab mir die Heimat und nahm mir die Not,

sie gab’ mir für’s Schaffen das tägluiche Brot.

Nun bin ich zufrieden, wie’s jeder hier ist,

der täglich als Bergmann die Arbeit begrüßt.

Das leben, es hat für mich wieder Sinn,

drum bin ich stolz, daß ein Bergmann ich bin.

 

 

Frühlings Einzug

Der Winter ist vergangen,

schon grünet Flur und Hain.

Ich sah die Blümlein prangen,

und in den Lüften sangen

viel’ muntre Vögelein.

Die Quellen munter fließen

aus mosgem Felsgestein.

sie woll’n den Lenz begrüßen

und eilen durch die Wiesen

im Frühlinmgssonenschein.

Der Bauer hat bereitet

zu Saat das weite Feld.

Der Wandrer fröhlich schreitet,

und Vogelsang begleitet

ihn durch die schöne Welt-

In meinem Schrebergarten

sah ich das erste Grün.

Es war ein banges Warten

bis daß ich sah im Garten

die ersten Veilchen blühn.

 

 

 

 

 

 

Glückauf

Glückauf! das Wort, das jeder spricht,
Der mit uns ist verbunden;
Es zeugt von Treu’ und Zuversicht
Auch in den schwersten Stunden.

Glückauf! das Lied, das jeder singt,
Der mit uns Hand in Hand
Das schwarze Gold zu Tage bringt
Zum Wohl fürs Vaterland.

Glückauf! hörst du zu jeder ZeitIm dunklen tiefen schacht.
Sankt Barbara schütz’ uns vor Leid
Und vor des Berggeists Macht.

Glückauf! sei auch ein letzter Gruß,
Wenn du van uns mußt scheiden.
Denn Weg, den jeder gehen muß,
Konnt’ niemand noch vermeiden.

Veröffentlicht August 1955, in “Der Förderturm” Heft 10, S. 35